Veranstaltungsmittschnitte ju:an-Praxisstelle: Antisemitismus- und rassismuskritische Jugendarbeit

Veranstaltungsmittschnitte ju:an-Praxisstelle: Antisemitismus- und rassismuskritische Jugendarbeit

Vortrag: Ismail Küpeli zur „kurdischen Frage“ und Bedeutung des türkischen Nationalismus in der Jugendarbeit

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In seinem Vortrag erklärte Ismail Küpeli, was mit „kurdische Frage“ im Kontext der Gründung des türkischen Nationalstaates (1923) gemeint ist: Wie soll mit der kurdischen Bevölkerung umgegangen werden, wenn man auf einem Teil des Territoriums des untergegangenen Osmanischen Reiches die Türkei als eine Nation mit einheitlicher Sprache, Geschichte, Religion, Gebräuchen usw. erschaffen will? Ismail Küpeli stellte anschaulich dar, wie die Türkei in der Zeit von 1925 bis 1938 versuchte, die kurdische Bevölkerung zu assimilieren: Ihre Sprache und Kultur, ihre politischen Organisationen und jede Form eines eigenständigen nationalen Bewusstseins wurden gewaltsam bekämpft, unterdrückt und dabei um die 60.000 Menschen ermordet und um die 180.000 Menschen in den Westen des Landes zwangsumgesiedelt. Alles Kurdische sollte in der neuen Türkei unsichtbar gemacht und in die Bedeutungslosigkeit verdrängt werden. Auch wenn die Kurd*innen zum großen Teil wie die Mehrheitsbevölkerung dem sunnitischen Islam angehör(t)en, störten türkische Nationalisten sich schon seit dem 19. Jahrhundert an jeder Differenz und wollten einen homogenen Nationalstaat aufbauen. Ismail Küpeli geht dabei auf unterschiedliche Maßnahmen wie das Verbot kurdischsprachiger Zeitungen ein, vor allem aber auf militärische Repression, die als angebliche „Aufstandsbekämpfung“ gerechtfertigt wurde. Vorfälle wie die Verweigerung von Steuerzahlungen, die normalerweise polizeilich geahndet wurden, nahm der Staat zum Anlass für brutale Militäraktionen zunächst gegen die männliche, dann auch gegen die weibliche Bevölkerung und die Kinder. Mit dem Massaker von Dersim 1938 an den alevititschen Kurd*innen beschließt Ismail Küpeli die historische Phase extremer Gewalt.

Auch andere Minderheiten mit eigenen religiösen und/oder nationalen Selbstverständnissen fielen dem Homogenisierungswahn zum Opfer: Bekannt ist der Völkermord an den christlichen Armenier*innen, teilweise auch die Vertreibung der christlichen Griech*innen. Aber auch die Tscherkess*innen, die Pomak*innen, aramäische und andere Christ*innen wurden einer Assimilation und/oder Vertreibung bis hin zum Mord unterworfen, die kleine jüdische Minderheit vollkommen marginalisiert.

Diese historischen Hintergründe, genauso die Gewalt der letzten Jahrzehnte und die Selbstorganisation von Kurd*innen in parlamentarischen, zivilgesellschaftlichen sowie auch militanten Organisationen wie die PKK sind für ein Verständnis der aktuellen Situation und auch der Selbstverständnisse kurdisch- und türkisch-türkischer Jugendlicher von großer Bedeutung.

Gespräch: Ismail Küpeli zur „kurdischen Frage“ und Bedeutung des türkischen Nationalismus in der Jugendarbeit

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Eine Besonderheit ist, dass Ismail Küpeli auf die politische Bildung eingeht und dabei die Situation hierzulande in den Blick nimmt. Im nachfolgenden Gespräch wurden vor allem die folgenden Punkte angesprochen, die für die Jugendarbeit wichtig sind:

– In der deutschen Erinnerungskultur ist Diversität kaum vorgesehen. Auch deshalb wird die Diversität der türkeistämmigen Bevölkerung wenig sichtbar: Weder waren die Einwander*innen aus der Türkei alle Gastarbeiter*innen noch waren alle im nationalkulturellen Sinne türkisch.

– In der Offenen Jugendarbeit bzw. in der politischen Bildung lässt sich Diversität durch empowermentorientiertes Arbeiten sichtbar machen und dazu gehört es, den individuellen Geschichten der jungen Menschen Raum zu geben.

– Jugendfreizeiteinrichtungen, die Projekte der eingewanderten Communities beispielsweise für ein Straßenfest einbeziehen wollen, sollten nicht allein Einrichtungen des türkischen Staates, etwa die Ditib-Moscheen, ansprechen. Es gibt auch kurdische, yezidische, armenische, alevitische oder andere Vereine, oder auch nichtstaatliche türkische Ansprechpartner*innen.

– Leider kursieren auch unter Bildungsarbeiter*innen einige Narrative über die Türkei, die einfach falsch sind. Dazu gehört die Vorstellung von der Türkei als säkularem Staat, in dem Religion keine Rolle spiele. Tatsächlich aber versteht die Türkei sich als islamisches bzw. sunnitisches Land. Im türkischen Nationalismus gibt es zudem viele rassistische Elemente, die sich gegen unter anderem die kurdische Bevölkerung richten.

– Immer wieder kommt es unter Jugendlichen zu Auseinandersetzungen, die auch, aber nicht nur mit der unterschiedlichen Zugehörigkeit zu den Türk*innen oder Kurd*innen zusammenhängen. Oft reduzieren Fachkräfte in Jugendarbeit und Schule die Jugendlichen dann aber auf diese kollektiven Identitäten und führen kulturalisierende Begründungen für Streit und Spannungen an. Demgegenüber ist es wichtig, die jungen Menschen in ihrem hiesigen Kontext zu sehen und die konkreten Lebenswelten einzubeziehen. Dazu gehört auch, den Einfluss von Diskriminierungs- und Ausgrenzungserfahrungen zu beachten, der beide Gruppen trifft und eine Identifikation mit der türkischen oder kurdischen, armenischen oder anderen Nationalität befördert. Gleichzeitig greifen nationalistische Akteur*innen die Marginalisierungserfahrungen auf, um Heranwachsenden attraktive Identitätsangebote zu machen, die ihr Selbstbild stärken.

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine: Mit Jugendlichen darüber sprechen - aber wie?

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Zwei Wochen nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine fand Anfang März unsere Informations- und Austauschveranstaltung mit Roman Labunski zur Frage Wie mit Jugendlichen über den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sprechen? statt. Roman Labunski ist Lehrer und Teamer der Politischen Bildung, aktiv in der ukrainischen Demokratiebewegung und schreibt seine Doktorarbeit zum Verhältnis zwischen Russland und der Ukraine.

Nach einem dialogischen Input mit Hintergrundinformationen und zu eigenen Erfahrungen in der Arbeit mit Jugendlichen beantworteten Roman Labunski und die Moderatorin Rosa Fava Fragen der Teilnehmer:innen. Das Ziel der Veranstaltung war, die Fachkräfte in der Jugend- und Bildungsarbeit dabei zu unterstützen, sich ein fundiertes Urteil über die akute Situation zu bilden, um jungen Menschen mit einer klaren und reflektierten Haltung begegnen und den vielen Emotionen eine Orientierung geben zu können.

Was ist Islamismus? Disskusionsbeiträge einer digitalen Informations- und Austausch-Veranstaltung

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Im zweiten Teil sind die Antworten und Erläuterungen von Götz Nordbruch auf verschiedene Fragen und Einwände zusammengestellt.

Die meisten Beiträge beziehen sich auf die folgenden Punkte:

Schweigeminuten für Opfer islamistischer Gewalt an Schulen
Mädchen und junge Frauen, die man als Jugendarbeiter*in oder Lehrer*in nach längerer Zeit wiedersieht und die „plötzlich“ ein Kopftuch tragen

Die Aktion des Youtubers Fayez Kanfash Anfang November 2020 auf der Sonnenallee/Berlin-Neukölln, wo viele Menschen leben und arbeiten, die aus arabischen bzw. islamisch geprägten Ländern eingewandert sind: Ein arabisch-traditionell gekleideter Mann führt an einem Strick eine Person die Straße entlang, die mit einer Maske den französischen Präsidenten Emmanuel Macron darstellen soll und gleichzeitig durch lange Haare als Trans*person oder Frau gekennzeichnet ist. Der Mann schlägt und beschimpft Macron und ruft dabei „Allahu akbar“, gefolgt von einer Gruppe begeisterter junger Männer.

Das Problem der Verharmlosung von Islamismus und der Ängste derjenigen, die sich als Trans*personen oder andere mögliche Opfer islamistischen Hasses bedroht sehen

Was ist Islamismus? Informations- und Austausch-Veranstaltung mit Götz Nordbruch am 02. Dezember 2020

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Mitschnitt einer digitalen Informations- und Austausch-Veranstaltung mit Götz Nordbruch am 02. Dezember 2020:

Die Ermordung des Lehrers Samuel Paty bei Paris am 16. Oktober und der Anschlag in Wien am 02. November 2020 mit vier Toten haben den islamistischen Terror wieder in die Öffentlichkeit gerückt. Dies verbindet sich oft mit dem Anspruch an die Jugendarbeit, ihm entgegenzuwirken und Präventionsarbeit zu machen. Was kann das heißen?

Dr. Götz Nordbruch ist Islam- und Sozialwissenschaftler und Co-Geschäftsführer der Fachstelle für Pädagogik zwischen Islam, Islamfeindlichkeit und Islamismus ufuq.

"Wo kommt Corona ‚eigentlich‘ her und trägt sie Schläfenlocken?" | Webinar

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Eine große Bedrohung, die nicht sichtbar ist und schwierig zu begreifen, schafft Verunsicherung und damit den Wunsch, sie quasi „dingfest zu machen“. Dies geschieht seit einigen Monaten, indem vor allem Menschen, die als Asiat*innen gelesen werden, als Träger*innen des Covid 19-Virus gesehen und auch angegriffen werden.

Am 18.05.2020 veranstaltete die ju:an-Praxisstelle antisemitismus- und rassismuskritische Jugendarbeit Berlin der Amadeu Antonio Stiftung ein Webinar darüber wie man rassistischem und antisemitischem Verschwörungsdenken in der Jugend- und Bildungsarbeit begegnen kann. Der Audiomittschnitt ist nun hier erhältlich.

Im Webinar ging es darum, antisemitische Verschwörungserzählungen, rassistische Zuschreibungen und ihre Funktionen auseinanderzunehmen, um ihnen als Pädagog*in selbst besser entgegentreten zu können. Es wurden verschiedene Ideen vorgestellt, wie man in der Arbeit mit Jugendlichen mit Verschwörungsdenken und den Bedürfnissen, die ihm zugrunde liegen, umgehen und auch Lernprozesse daraus gestalten kann.

Das Webinar richteet sich an alle in der offenen, politisch-historischen, kulturellen und musealen Jugend- und Bildungsarbeit Tätigen.

Über diesen Podcast

Antisemitismus und Rassismus in der Jugendarbeit zusammendenken!

Antisemitismus, Rassismus und andere Formen von Abwertung, Diskriminierung und Ausgrenzung sind für die Offene Kinder- und Jugendarbeit (OKJA) eine große Herausforderung. Dieser stellt sich die »ju:an - Praxisstelle antisemitismus- und rassismuskritische Jugendarbeit« und setzt den Schwerpunkt dabei auf den immer offener hervortretenden Antisemitismus. Die Auseinandersetzung mit Antisemitismus wird dabei durch Rassismuskritik flankiert und umgekehrt. Die Säulen des Projektes bilden: Beratung, Coaching und Fortbildungen für Fachkräfte und Multiplikator*innen der OKJA und Empowermentworkshops für Jugendliche und Jugendarbeiter*innen.

Jugendarbeit findet seit Mitte März 2020 vor allem digital statt, und so sind auch wir online gegangen: Mit ju:an goes Belltower und ju:an goes digital haben wir zwei Formate gestartet, um online mit Fachkräften aus der Jugendarbeit und allen Interessierten in Kontakt zu bleiben und weiter Beratungen und Fortbildungen anzubieten. Wir bieten Webinare an und sind weiterhin telefonisch oder per Email gut zu erreichen. Seit Sommer und Herbst 2020 machen und planen wir je nach den Umständen Präsenzveranstaltungen, hybride und digitale Veranstaltungen. Viele dieser Veranstaltungen sind hier als Audioformat abrufbar.

von und mit ju:an-Praxisstelle

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