Gespräch: Ismail Küpeli zur „kurdischen Frage“ und Bedeutung des türkischen Nationalismus in der Jugendarbeit
Eine Besonderheit ist, dass Ismail Küpeli auf die politische Bildung eingeht und dabei die Situation hierzulande in den Blick nimmt. Im nachfolgenden Gespräch wurden vor allem die folgenden Punkte angesprochen, die für die Jugendarbeit wichtig sind:
– In der deutschen Erinnerungskultur ist Diversität kaum vorgesehen. Auch deshalb wird die Diversität der türkeistämmigen Bevölkerung wenig sichtbar: Weder waren die Einwander*innen aus der Türkei alle Gastarbeiter*innen noch waren alle im nationalkulturellen Sinne türkisch.
– In der Offenen Jugendarbeit bzw. in der politischen Bildung lässt sich Diversität durch empowermentorientiertes Arbeiten sichtbar machen und dazu gehört es, den individuellen Geschichten der jungen Menschen Raum zu geben.
– Jugendfreizeiteinrichtungen, die Projekte der eingewanderten Communities beispielsweise für ein Straßenfest einbeziehen wollen, sollten nicht allein Einrichtungen des türkischen Staates, etwa die Ditib-Moscheen, ansprechen. Es gibt auch kurdische, yezidische, armenische, alevitische oder andere Vereine, oder auch nichtstaatliche türkische Ansprechpartner*innen.
– Leider kursieren auch unter Bildungsarbeiter*innen einige Narrative über die Türkei, die einfach falsch sind. Dazu gehört die Vorstellung von der Türkei als säkularem Staat, in dem Religion keine Rolle spiele. Tatsächlich aber versteht die Türkei sich als islamisches bzw. sunnitisches Land. Im türkischen Nationalismus gibt es zudem viele rassistische Elemente, die sich gegen unter anderem die kurdische Bevölkerung richten.
– Immer wieder kommt es unter Jugendlichen zu Auseinandersetzungen, die auch, aber nicht nur mit der unterschiedlichen Zugehörigkeit zu den Türk*innen oder Kurd*innen zusammenhängen. Oft reduzieren Fachkräfte in Jugendarbeit und Schule die Jugendlichen dann aber auf diese kollektiven Identitäten und führen kulturalisierende Begründungen für Streit und Spannungen an. Demgegenüber ist es wichtig, die jungen Menschen in ihrem hiesigen Kontext zu sehen und die konkreten Lebenswelten einzubeziehen. Dazu gehört auch, den Einfluss von Diskriminierungs- und Ausgrenzungserfahrungen zu beachten, der beide Gruppen trifft und eine Identifikation mit der türkischen oder kurdischen, armenischen oder anderen Nationalität befördert. Gleichzeitig greifen nationalistische Akteur*innen die Marginalisierungserfahrungen auf, um Heranwachsenden attraktive Identitätsangebote zu machen, die ihr Selbstbild stärken.
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